Foto oben: Der Weiher in der Grube – ökologisch wertvoll und immer wieder schön. Doch auch er soll verschwinden und ist bereits aus dem neuesten Gewässerraumplan der Stadt Bern getilgt (Foto © Martina Späni)
Juristisch gegen die Planung
Bern bleibt grün interveniert juristisch gegen das Deponievorhaben im Rehhag. Die Umsetzung der Planung Rehhag würde nicht nur massiv in einen schützenswerten Lebensraum eingreifen, sondern auch in ein inventarisiertes Schutzgebiet von nationaler Bedeutung. Welches sind unsere Argumente gegen die Planung und welches unsere Forderungen?
Einsprache!
Gegen die Überbauungsordnung Rehhag legte der Verein Bern bleibt grün am 27. April 2017 Einsprache bei der Stadt Bern ein. Alle Anträge zielten darauf ab, dass die Auffüllung der Grube nicht zu bewilligen sei und der Naturraum geschützt und gepflegt werde.
Die Einspracheverhandlungen vom 9. Juni 2017 mit der Stadt verliefen ergebnislos. Und nachdem das kantonale Amt für Gemeinden und Raumplanung AGR am 26. September 2019 seinen Gesamtentscheid zum Projekt bekannt gegeben hatte – die Planung wurde genehmigt und die Einsprache als unbegründet abgewiesen –, gelangte der Verein im Oktober 2019 mit einer Beschwerde an die kantonale Direktion für Inneres und Justiz. Das Beschwerdeverfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Das ENHK-Gutachten
Für die Beurteilung des Schweregrads des drohenden Eingriffs in das Schutzobjekt von nationaler Bedeutung verlangte der Verein Bern bleibt grün die Einholung eines Gutachtens der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission ENHK. Im hängigen Beschwerdeverfahren wurde diesem Antrag nun stattgegeben. Das Gutachten liegt seit Dezember 2021 vor und stützt die Auffassung und Anträge von Bern bleibt grün im Ergebnis vollumfänglich. So sei die Grube zu schützen und zu pflegen.
→ Wer ist die Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission?
Die Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK) ist eine unabhängige ausserparlamentarische Kommission des Bundes mit 15 Mitgliedern. Die Kommission hat den Auftrag, den Bundesrat und das zuständige Departement in grundsätzlichen Fragen des Natur- und Heimatschutzes zu beraten. Sie verfasst Gutachten und Stellungnahmen zuhanden von Behörden und Gerichten in den vom Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz (NHG) vorgesehenen Fällen.
Das Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz legt u.a. fest:
- Könnte ein Objekt der Bundesinventare durch eine Bundesaufgabe erheblich beeinträchtigt werden, so ist nach Art. 7 Abs.2 NHG zwingend ein Gutachten der ENHK einzuholen.
Die ENHK ist so gewissermassen die höchstinstanzliche Fachkommission für die Beurteilung von Natur- und Landschaftsschutzfragen, und ihre Einschätzungen haben entsprechend grosses Gewicht.
Die Direktion für Inneres und Justiz hat nun zum einen die Beschwerde des Vereins Bern bleibt grün zu beurteilen und zum andern das Gutachten der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission zur Hand. Sowohl Einsprache, Beschwerde wie ENHK-Gutachen kommen, wenn auch auf andern Wegen, zu übereinstimmender Beurteilung.
Unsere Kritik am Projekt und unsere Anträge
Wir streichen vier Rügen und Anträge im Rahmen des juristischen Verfahrens besonders hervor:
1. Forderung nach einer Nachbesserung des Umweltverträglichkeitsberichts
Der Plan, die frühere Tongrube mit rund 1 Million Kubikmetern Aushub und Inertstoffen zu füllen, erfordert gemäss Ziff. 40.4 des Anhangs zur Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) und die Ausarbeitung eines Umweltverträglichkeitsberichts (UVB) gemäss Bundesgesetz über den Umweltschutz.
Um die Schutzwürdigkeit eines Geländes bestimmen zu können, ist es gesetzlich unabdingbar, dass geklärt wird, welche Typen von Lebensräumen sowie welche Arten von seltenen und gefährdeten Pflanzen und Tieren im betroffenen Parameter überhaupt vorkommen. Die fachliche Bewertung von Biotopen ist auch deshalb wichtig, weil nur so angemessene Wiederherstellungs- und insbesondere Ersatzmassnahmen ermittelt werden können.
Was im UVB der Planung Rehhag fehlt
Der UVB geht auf die Naturwerte der Rehhaggrube kaum ein. Die vorkommenden Tier- und Pflanzenarten sowie die vorhandenen Lebensräume wurden nicht mit der gebotenen Sorgfalt eruiert. Die meisten Zahlen stammen aus Studien von 1988 und 1999, sind also völlig veraltet und vermögen ohnehin nicht die Anforderungen an einen UVB zu erfüllen, wie sie heute gelten. Einzig die Daten zu den Amphibien der KARCH sind umfassender und jüngeren Datums, nämlich aus dem Jahr 2013.
Zu den Tagfaltern steht beispielsweise im UVB der Planung Rehhag einzig:
«Nebst mobilen Wanderarten kommen in der Rehhaggrube aufgrund der Bestandesaufnahme von Carron (1999) nur drei sich reproduzierende Arten vor. Sie sind allgemein verbreitet und nicht gefährdet.» (UVB 2017, S. 36)
Anträge zum vorgelegten UVB
Der Verein verlangt, den UVB zur Ergänzung und Verbesserung an die Gesuchstellerinnen des Bauvorhabens zurückzuweisen. Diese seien zu verpflichten, die massgeblichen Naturwerte (Lebenräume, Flora und Fauna) in der Grube Rehhag vollständig zu erheben und den UVB unter Anwendung anerkannter Biotopbewertungsmethoden zu ergänzen.
2. Forderung nach definitiver Bereinigung des Schutzobjekts
Die frühere Tongrube ist seit 2001 im Bundesinventar der Amphibienlaichgebiete von nationaler Bedeutung in der Liste der nicht definitiv bereinigten Amphibienlaichgebiete als Objekt Nr. BE72 verzeichnet (Anhang 3 der Amphibienlaichgebiete-Verordnung, AlgV).
Der Status «nicht definitiv bereinigt» hat nichts mit der Fragwürdigkeit der Qualität des Objekts zu tun, sondern mit der Tatsache, dass die Tongrube 2001 noch in Betrieb war und die Laichgewässer wegen des Abbaubetriebs in der Grube herumwanderten, das Festlegen eines definitiven Perimeters also nicht möglich war. Mit der Stilllegung des Betriebs im Jahr 2002 änderten sich die Voraussetzungen. Das Amphibienlaichgebiet wurde vom Wanderobjekt zu einem ortsfesten Objekt; das Gesetz verpflichtete zudem den Kanton, innert einer gegebenen Frist einen fixen Perimeter festzulegen – bzw. den Perimeter definitiv zu bereinigen.
Diese Bereinigung haben der Bund und der Kanton auch 20 Jahre nach der Stillegung der Grube nicht vorgenommen. Es ist zu vermuten, dass die Behörden wegen der vorhandenen Nutzungsinteressen eine definitive Bereinigung des Schutzgebietes bisher unterliessen.
Diese Untätigkeit der Behörden darf dem inventarisierten Biotop gegenüber dem Deponievorhaben nicht zum Nachteil gereichen!
Anträge bezüglich definitiver Bereinigung des Amphibienlaichgebiets Rehhag
Es seien die zuständigen Behörden des Kantons Bern anzuweisen, dem UVEK zu beantragen, das Amphibienlaichgebiet Nr. BE 72, Ziegelei Rehhag, definitiv zu bereinigen und als ortsfestes Objekt zu bezeichnen. Ausserdem sei dieser Antrag dem BAFU zur Stellungnahme zu unterbreiten.
3. Forderung nach geeigneten Sofortmassnahmen zum Schutz des Gebietes
Gemäss der Natur- und Heimatschutzverordnung (Art.29 Abs. 1 Bst.a NHV) und der Verordnung zum Schutz der Amphibienlaichgebiete (Art. 10 AlgV) ist der Kanton Bern verpflichtet, mit geeigneten Sofortmassnahmen dafür zu sorgen, dass sich der Zustand des Amphibienlaichgebietes in der Grube Rehhag nicht verschlechtert.
Solche durch Menschen geschaffene Pionierlebensräume können nur erhalten werden, wenn mit Baggern von Zeit zu Zeit neue Pioniergewässer gestaltet werden und dadurch auch eine Verbuschung verhindert wird.
Der UVB, welcher im Rahmen der Planung Rehhag von 2017 vorgelegt wurde, hält fest, dass sich im Vergleich zur Situation von 1999 und 2006 die Lebensräume wegen der Aufgabe des Tonabbaus rasch in Richtung Weidengebüsche, Landschilfbestände und mit Goldrute durchsetzte Ruderalfluren umgewandelt hätten. Diese Tatsache, die auch mit einem Augenschein vor Ort überprüft werden kann, deutet darauf hin, dass der Kanton der Verpflichtung zur Pflege ungenügend nachgekommen ist.
Seit 2022 finden wieder pflegerische Eingriffe durch den Kanton und die Stadt Bern statt. So wurden neue Pioniergewässer angelegt und invasive Neophyten entfernt.
Antrag für pflegerische Sofortmassnahmen
Die zuständigen Behörden seien anzuweisen, mit geeigneten Sofortmassnahmen dafür zu sorgen, dass sich der Zustand des noch nicht definitiv bereinigten Amphibienlaichgebiets nicht verschlechtert.
4. Forderung nach einer Interessenabwägung unter Zuhilfenahme eins ENHK-Gutachtens
Die meisten einheimischen Amphibien sind stark bedroht. 14 der 20 in der Schweiz vorkommenden Arten stehen auf der Roten Liste der gefährdeten und seltenen Tiere. Hauptgrund für diesen alarmierenden Gefährdungsgrad ist die Zerstörung und Beeinträchtigung der Lebensräume, insbesondere der Fortpflanzungsgewässer, aber auch der Landlebensräume.
Wer technisch in ein solches Biotop eingreifen will, hat sich explizit einer Interessenabwägung zu stellen. Im Falle der Rehhag-Planung: Was hat Vorrang – ein Deponieprojekt oder der Schutz eines national bedeutenden und sehr wertvollen Naturraums? Diese Frage hätte durch die Vorinstanz, nämlich das Amt für Gemeinden und Raumordnung AGR, welche die Planung Rehhag prüfte, beantwortet werden sollen.
Doch das kantonale Amt genehmigte die städtische Überbauungsordnung Rehhag, ohne die bundesrechtlichen Voraussetzungen für die Abweichungen vom Schutzziel eines Amphibienlaichgebietes von nationaler Bedeutung ausreichend zu prüfen.
Wäre diese Interessenabwägung umfassend erfolgt, hätte das AGR nach Auffassung von Bern bleibt grün zum Schluss kommen müssen, dass den geplanten bernischen Deponiestandorten nur kantonale, aber keine nationale Bedeutung zukommt. Da dem noch nicht definitiv bereinigten Schutzobjekt von nationaler Bedeutung die vollständige Zerstörung droht, ist eine sorgfältige Interessenabwägung aber unerlässlich, unter anderem gestützt auf das bei der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission ENHK eingeholte Gutachten.
Der Rechtsstreit und seine Kosten
Bereits sind für Bern bleibt grün in diesem Verfahren Kosten von einigen zehntausend Franken angefallen. Es ist damit zu rechnen, dass der Rechtsstreit später an gerichtliche Instanzen (Verwaltungsgericht bzw. Bundesgericht) weitergezogen und damit noch kostspieliger wird. Ohne → finanzielle Unterstützung können wir im Verfahren nicht mithalten.
Retten wir gemeinsam die wilde Grube im Rehhag;
stärken Sie im laufenden Verfahren die Position des Vereins für den Schutz der Grube mit einer Spende!
Kontakt
info[at]bernbleibtgruen.ch
Bern bleibt grün
3008 Bern
IBAN
CH21 0900 0000 3000 4860 7
Gemeinsam stemmen wir die Kosten – helfen Sie mit!