Städtische Planung und Politik
Die Planung Rehhag sieht vor, die stillgelegte Tongrube, die sich im Verlaufe der Jahre zu einem der wertvollsten Naturräume der Region Bern entwickelt hat, mit 500′000 Kubikmetern Aushub und 500′000 Kubikmetern Inertstoffen zu füllen, um anschliessend Teile des so überdeckten Geländes für Freizeit und Natur umzugestalten. Dieses Vorhaben scheint wie aus unserer Zeit gefallen. Es atmet die Methodik und das Selbstverständnis vergangener Jahrhunderte, als es hiess: Ein ungenutzter Naturraum ist eine verpasste Chance und jeder Eingriff durch Menschen ein Akt der (Re-)Kultivierung. Doch worum geht es bei diesem Projekt genau?
Auffüllen
Es fehle in der Region Bern an Möglichkeiten zur Ablagerung von Aushub- und Abbruchmaterial (Deponie Typ A) sowie für Inertstoffe (Deponie Typ B). Von «Mangel» an regionalen Deponiestandorten und von «Engpässen» ist in der Planung durch die Behörden die Rede. Die Grube Rehhag soll diesen Mangel entschärfen und entsprechend mit solchem Abfall aufgefüllt werden.
Welche Abfälle dürfen in Deponien des Typs A und Typ B gelangen?
Deponie Typ A (Aushubdeponie)
Aushub- und Ausbruchmaterial, Kieswaschschlamm, abgetragener Ober- und Unterboden, Geschiebe aus Geschiebesammlern.
Deponie Typ B (Inertstoffdeponie)
Abfälle des Typs A, Flachglas und Verpackungsglas; Abfälle, die bei der Herstellung von Ziegeln, Fliesen, Steingut und Keramikerzeugnissen nach dem Brennen anfallen; Elektroofenschlacke, Ausbauasphalt, mineralische Abfälle mit gebundenen Asbestfasern, verglaste Rückstände; Abfälle, die zu mehr als 95 Gewichtsprozent, bezogen auf die Trockensubstanz, aus gesteinsähnlichen Bestandteilen bestehen und die diversen Grenzwerte nicht überschreiten.
Neubau Wendeschlaufe der Buslinie 12. Der Ausbauasphalt wird wohl in einer Deponie des Typs B landen.
Für die Auffüllung der Rehhaggrube macht die Stadt Verpflichtungen geltend: Die Grube sei im Regionalen Richtplan Abbau Deponie Transporte als Deponiestandort vorgesehen und dieser Plan beruhe auf dem im Jahr 2012 vom Kanton genehmigten «Sachplan ADT». «Die Stadt Bern ist somit verpflichtet, auf dem Areal Rehhag eine Deponiezone festzulegen», heisst es im Abstimmungsbüchlein vom Juni 2018. Komme dazu, dass in der Gemeinde Bern viel gebaut werde und auch die Stadt ihren Beitrag zur Entsorgung der Stoffe leisten müsse. Ausserdem biete sich die Grube Rehhag als Standort mit entsprechend kurzen Transportwegen für die Stadt an.
Und Rekultivieren
Die Planung Rehhag bzw. die Überbauungsordnung von 2017 sieht vor, mit der Auffüllung der Grube die ursprüngliche Hanglage wiederherzustellen. «Erlebbar» soll das Gelände werden, und zwar durch einen Panoramaweg, einen weiteren Fussweg durchs Gelände und durch einen «Brätliplatz».
Über dem mit Abfall zugeschütteten →Naturraum soll ein «neu gestaltetes Naturschutzareal» geschaffen werden, ein Ersatzlebensraum für Flora und Fauna, der einige Jahre später in das Verzeichnis der definitiv festgelegten Amphibienlaichgebiete von nationaler Bedeutung überführt werden soll – vorausgesetzt natürlich, dass die Wiederansiedlung der auf dem Areal zugeschütteten Pflanzen- und Tierarten gelingt.
Politisch mag sich das gut anhören, doch ökologisch gesehen müsste das Projekt wie folgt beschrieben werden:
Die heute aus einer Mulde mit einem 7500 m2 grossen Weiher mit Röhricht, dauerfeuchten Schilf- und Sumpfflächen sowie Kleinsttümpeln und nackten Steilhängen bestehende Grube soll durch die Auffüllung in einen sonnenbeschienenen Hügel verwandelt werden.
Unter dem Abfallberg soll auch der grosse Lehmweiher verschwinden.
Die Planung nimmt die politischen Hürden
Die Planung Rehhag wird nicht nur von der Präsidialdirektion getragen, sondern auch von der Kommission für Planung, Verkehr und Stadtgrün gestützt, welche das Geschäft zuhanden des Stadtrats vorbereitet. Bern bleibt grün versucht mit einem Brief Kontakt mit der Kommission aufzunehmen, um auf Unklarheiten, Ungereimtheiten, Halbwahrheiten und – leider – auch Falschinformationen in den Vorträgen und im Entwurf der Abstimmungsbotschaft hinzuweisen. Niemand von der Kommission meldet sich beim Verein.
Eine weitere Kommission, die Agglomerationskommission AKO, wendet sich zwar gegen das Projekt. Ihr Beitrag zur Diskussion ist aber nur eine Art Mitbericht und hat darum kaum Gewicht.
In der Debatte des Berner Stadtrats vom 22. März 2017 werden sowohl der neue Zonenplan Rehhag (36 Ja, 22 Nein, 2 Enthaltungen) wie auch die Überbauungsordnung (37 Ja, 22 Nein, 2 Enthaltungen) angenommen. Der Rückweisungsantrag der SP/JUSO hatte keine Chance und wurde mit 24 gegen 40 Stimmen bei einer Enthaltung abgelehnt.
Zu den Befürworter:innen der Planung zählen – mit einer Ausnahme – auch alle Parteien und Fraktionen mit einem «g»; GB/JA!, die GLP/JGLP und die GFL/EVP, neben der SVP, der FDP/JF und der BDP/CVP. Die SP/JUSO und die Fraktion AL/GaP/PdA sprechen sich dagegen aus.
Schliesslich wird die Zonenplanänderung auch in der Volksabstimmung vom 10. Juni 2018 mit 60 Prozent Ja-Stimmen angenommen. Das im Vorfeld der Abstimmung gebildete Nein-Komitee, bestehend aus der SP Stadt Bern, NaturBernWest, Grün alternative Partei, Alternative Linke Bern, Partei der Arbeit und Bern bleibt grün, erzielte immerhin einen Achtungserfolg.
Das Amt für Gemeinden und Raumplanung AGR gibt mit seinem Gesamtentscheid vom Herbst 2019 grünes Licht für die Realisierung der Planung Rehhag.
Unsere Einsprache kann die Planung nicht stoppen
Bern bleibt grün hat dieser Planung durch die Behörden schwerwiegende Mängel attestiert, auf welche der Verein 2017 in seiner Einsprache hinwies. Die Stadt lehnte die Einsprache jedoch ab. Auch in der Debatte im Stadtrat fand sie kaum Beachtung und ebenso wenig in den Erwägungen des Kantons, mit dem er grünes Licht gab für die Realisierung der Planung.
Gegen diesen Gesamtentscheid legte Bern bleibt grün Ende 2019 Beschwerde ein. Seither ist das Verfahren bei der Direktion für Inneres und Justiz (DIJ) des Kantons hängig (→ Juristisches Verfahren).