Foto oben: Kurzschwänziger Bläuling in der Grube Rehhag. Die Art ist in der Schweiz geschützt und vom Aussterben bedroht (Foto © Christian Roesti).
Wertvolle Lebensräume
Für die Planer:innen ist sie eine «Wunde in der Landschaft», die «rückgefüllt» und «rekultiviert» werden muss; für andere – und dazu zählt auch unser Verein – ist sie ein wertvoller, hochkomplexer, selten gewordener Lebensraum für Pflanzen und Tiere, von denen etliche Arten gefährdet und viele geschützt sind.
Der mehr als 100-jährige Tonabbau im Rehhag schuf eine Grube, die stattliche 400 Meter lang ist und sich auf über 10 Hektaren erstreckt. 2002 wurde der Tonabbau aufgegeben.
Während ringsum die Landschaft zu einem immer intensiver genutzten Agrar- und Siedlungsraum umgestaltet wurde und die natürlichen Flussauen mit ihren Kiesbänken und grossflächigen Pionierlebensräume im Schweizer Mittelland weitgehend verschwanden, wurde die Grube zu einem Ersatzlebensraum für Tiere und Pflanzen, die nur in solchen speziellen Biotopen überleben können. Die Grube wurde so unbeabsichtigt zu einer naturnahen Insel in einer völlig umgestalteten und für etliche Tier- und Pflanzenarten lebensfeindlichen Umgebung.
Das Gebiet der ehemaligen Tongrube umfasst
- einen grossen Lehmweiher mit einer Gesamtfläche von 7000 Quadratmetern
- offenen, lehmigen Boden
- kiesige Ruderalflächen
- Tümpel
- Gebüsche mit Weichhölzern und Pionierwälder mit Waldföhren
- mit Gebüschen verzahnte Wiesen
- steile sandig-lehmige Böschungen bzw. Wände
- eindrucksvolle Findlinge
Diese verschiedenen Elemente fügen sich zu einem Lebensraum-Mosaik besonderer Qualität zusammen und bewirken, dass es sich bei der Grube Rehhag um den Lebensraum mit der grössten Artenvielfalt in der Stadt Bern handelt.
Insbesondere die südexponierten Teile der Grube weisen zudem ein Mikroklima auf, in welchem klimatisch anspruchsvollere Tier- und Pflanzenarten vorkommen.
Für Amphibien ist die Grube eine der letzten bedeutenden Lebensräume in der weiteren Umgebung und darum seit 2002 ein Amphibienlaichgebiet von nationaler Bedeutung.
Was ist ein Amphibienschutzgebiet von nationaler Bedeutung?
«70% der einheimischen Amphibien stehen auf der Roten Liste. Hauptursache ist der massive Verlust an Laichgewässern in den vergangenen 100 Jahren. (…) Um die gefährdeten Amphibien zu schützen, hat der Bund 2001 das Bundesinventar der Amphibienlaichgebiete von nationaler Bedeutung IANB und die dazugehörige Verordnung erlassen. Das Inventar bezeichnet die bedeutendsten Fortpflanzungsgebiete und beauftragt die Kantone, für deren Schutz und Unterhalt zu sorgen. Das Inventar umfasst 5 bis 10 Prozent der rund 14’000 bekannten Amphibienlaichgebiete der Schweiz. Die aktuell 929 Objekte im Inventar wurden aufgrund eines Bewertungsschlüssels ermittelt.» (Webseite BAFU, 08.03.2022)
Welchen Biotopwert hat die Grube?
Die Bestandesaufnahme von Flora und Fauna im von der Bauherrschaft vorgelegten Umweltverträglichkeitsbericht wurde von Bern bleibt grün in seiner Einsprache als mangelhaft kritisiert (vgl. → Juristisches Verfahren). Der Verein gab deswegen 2017 selbst ein Gutachten in Auftrag. Entstanden ist daraus der Bericht Faunistische Aufnahme in der Grube der ehemaligen Ziegelei Rehhag in Bern der Firma Orthoptera oder kurz: der «Roesti-Bericht».
Die faunistische Aufnahme von Christian Roesti (2017)
Während mehrerer Besuche vom Frühjahr bis in den Herbst 2017 erhob Christian Roesti die Vorkommen der Tagfalter, Heuschrecken und Libellen in der Grube Rehhag.
Weitere Insektengruppen, die in der Grube mit zahlreichen Arten vertreten sein dürften wie etwa die Wildbienen, die Käfer oder die Nachtfalter, aber auch andere Kleintiere wie Spinnen oder Schnecken, konnten der limitierten finanziellen Mittel von Bern bleibt grün wegen leider nicht erfasst werden.
Aber bereits diese «bescheidene» Kartierung brachte einen grossen Artenreichtum an den Tag. Christian Roesti erfasste 30 Tagfalter-, 19 Heuschrecken- und 22 Libellenarten. Etliche der gefundenen Arten sind geschützt, manche selten oder gefährdet.
Auch die Vögel wurden während der Begehungen der Grube kartiert. Insgesamt konnten 44 Vogelarten festgestellt werden, darunter auch eine Weissbart-Grasmücke, eine Rarität für die Schweiz. Der grosse Weiher in der Grube und vor allem die Schilfbestände in seinem Uferbereich sind Lebensraum für spezialisierte Arten wie den Teichrohrsänger.
Amphibien und Reptilien in der Grube Rehhag (Auswahl)
Wildbienenkartierung durch Impuls AG im Auftrag des Kantons und der Stadt Bern (2023)
Jüngst, im Frühling und Sommer 2023 führte die IMPULS AG in Zusammenarbeit mit dem Wildbienenspezialist Philipp Heller an zehn Standorten in der Stadt Bern eine Wildbienenkartierung durch. Fazit dieser Studie: «Die artenreichsten Gebiete sind ‹Rehaggrube› und ‹Weissenstein›». Gefunden wurden in der Rehhaggrube 7 potentiell bzw. gefährdete Arten. Für die Grube wird festgehalten: «All diese Sandlebensräume sind von grosser naturschützerischer Bedeutung und drigend zu erhalten.» (S.22) Und: Das Lebensraumpotential könnte besser ausgeschöpft werden, wenn das Blütenangebot (artenreiche Blumenwiesen, Krautsäume und Ruderalflächen usw.) im Umkreis von 300 Metern erhöht würde.
Insekten in der Rehhaggrube (Auswahl)
Flora
Das Mosaik aus unterschiedlichsten Lebensräumen, das sich in der Grube entwickelt hat, beherbergt eine entsprechend vielfältige Flora. Besonders hervorzuheben sind die grossen Bestände des Kleinen Tausendgüldenkrauts und der Sumpfstendelwurz, eine Orchideenart. Bei beiden Arten handelt es sich um geschützte Pflanzen.
Kleines Tausendgüldenkraut, Foto © Adi Möhl
Sumpfstendelwurz (Epipactis palustris), Foto © Christian Gnägi
Fazit
Das Fazit, das Christian Roesti aus dem Ergebnis seiner Kartierung zieht:
„Die Naturwerte der Grube müssen erhalten und durch Pflegemassnahmen gefördert werden. Die geplante Auffüllung durch Bauschutt sowie die Umgestaltung nach Planung Rehhag muss vermieden werden. (…) Es ist utopisch zu denken, dass mit einer Umstrukturierung die Naturwerte erhalten werden können. Deshalb ist aus der Sicht der Fauna eine Umgestaltung absolut zu vermeiden. Die Grube und ihre Lebensräume müssen erhalten und gepflegt werden.“
(Christian Roesti: Faunistische Aufnahme in der Grube der ehemaligen Ziegelei Rehhag in Bern, 2017, S. 28)
Kontakt
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